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Marode Moabiter Kirchtürme

Denkmalgeschützte Bauwerke zu erhalten ist für die Eigentümer oftmals ein Problem. Zur Zeit  zeigt sich das besonders deutlich an zwei Moabiter Kirchtürmen.

Die Turmspitze der Heilige-Geist-Kirche Perleberger / Ecke Birkenstraße wurde vor etwa eineinhalb Monaten von Industrie-Kletterern mit einem grünen Fangnetz gesichert (siehe auch Vilmoskörtes Artikel „Kirche mit Mütze„). Mit dieser Maßnahme sollen Passanten vor den losen Dachziegeln, die herunterfallen könnten, geschützt werden. Auf der Homepage der Gemeinde sind Fotos von der Dachinspektion zu finden. Die losen Dachziegel sind nicht das erste Problem, immer wieder sind in den letzten Jahren Renovierungsarbeiten notwendig geworden. 2006 wurde die Orgel restauriert. Einige Anwohner/innen werden sich vielleicht daran erinnern, dass vor einiger Zeit der jahrzehntelang gewachsene wilde Wein vom Kirchturm gefallen ist und der Vorplatz deshalb abgesperrt werden musste. Im vergangenen Jahr wurde eine neue Fußbodenheizung in die Kirche eingebaut, nachdem die 100 Jahre alte Dampfheizung kaputt gegangen war.  Die Baumaßnahme wurde in diesem Sommer abgeschlossen, seit dem ist die Heilige-Geist-Kirche auch für Rollstuhlfahrer zugänglich. Zur Zeit wird sie abends blau-rot beleuchtet. Die Geschichte dieser Kirche können Sie hier nachlesen. Die Schutzhaube um die Turmspitze wird vermutlich noch für längere Zeit notwendig sein.

Auch vom Turm der Heilandskirche in der Thusnelda Alle fallen Ziegel herunter. Hier beschränkt sich der Baumangel aber nicht auf Dachziegel der Turmspitze, sondern es sind Steine an der Fassade locker, besonders wohl an den Schmuckfriesen. Entdeckt wurde das Problem schon im Sommer, als der Blitzableiter erneuert werden musste. Für kurze Zeit war der Platz abgesperrt, Fassadenkletterer entfernten lose Steine. Doch scheinen sie dabei leider nicht alle erwischt zu haben, denn später sind immer noch Steine vom Turm gefallen.

Der Gemeindekirchenrat hat sich entschlossen zur Sicherheit der Passanten einen großen Vorbau auf dem Platz aufzustellen und Seitenbereiche abzusperren. Das Gestell wurde kunstvoll um die dicken Äste der alten Bäume herumgebaut. Das sieht nicht so elegant aus, wie Fangnetze, mit denen an der Heilandskirche jedoch weit mehr hätte eingepackt werden müssen. Aus Kostengründen hat sich der Gemeindekirchenrat für das Gerüst mit Dach entschieden. Denn es kostet nur ein Viertel von dem, was für Fangnetze hätte bezahlt werden müssen. Im Winter kann die Fassade allerdings nicht repariert werden, so dass der Vorbau zur Sicherheit der Passanten und Besucher des Ökomarkts mindestens bis Ostern 2012 stehen bleiben wird.

Auch in der Heilandskirche gab es in der letzten Zeit noch weitere kostspielige Reparaturen. Die drei Glocken läuten erst seit Juni 2011 wieder und auch die Turmuhr mit Stundenschlag wurde repariert. Nach jahrelangem Schweigen vom Kirchturm fühlten sich Bewohner/innen aus benachbarten Häusern in ihrer Nachtruhe gestört und protestierten. So schlägt die Kirchturmuhr zum letzten Mal um 22 Uhr und dann erst wieder um 6 Uhr morgens.  Trotz Zuschuss des Aktiven Stadtzentrums Turmstraße für die Glockenreparatur, muss noch weiter gesammelt werden, wie im Gemeindebrief Oktober/November 2011 genau nachzulesen ist (leider nicht mehr im Netz!). Wer sich für die Geschichte der Heilandskirche interessiert kann das von Ulrike Schilling 1992 herausgegebene Buch als Webversion lesen oder hier im Netz (mit weiterführenden Links, z.B. zum Turmfalkenpaar, das 2007 mit Webcam vom NABU beobachtet wurde).

Bleibt zu hoffen, dass trotz schrumpfender Mitgliederzahlen die Kirchengebäude im Stadtbild erhalten bleiben, denn nicht alle Türme haben solch prominente Unterstützer wie der Turm der Gedächtniskirche.

Foto oben rechts: Gotthard Schulte-Tigges

Nachtrag 2013:
Der Vorbau vor der Heilandskirche steht unverändert, aber die Reparatur des Daches an der Heilige-Geist-Kirche hat begonnen (Berliner Woche).

Atemberaubende Fotos von der Arbeit am Turm der Heilige-Geist-Kirche (Vilmoskörte-Blog) und als Leuchtturm (Vilmoskörte).

Nachtrag 2014:
Pressemitteilung des Bezirksamts zur Sanierungsvereinbarung der Heilandskirche.

Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz hat Spenden für die Turmsanierung der Heilige-Geist-Kirche gesammelt, dazu kommen Lotto-Gelder. Die 20.000 Euro werden am 3. August nach dem 10-Uhr-Gottesdienst übergeben (Pressemitteilung). Dazu auch dieser Artikel der Berliner Woche.

2 schöne Fotos von vilmoskörte zur Ab- und Aufrüstung.

Nachtrag 2016:
Zur angedachten Umnutzung der Heilandskirche für das LaGeSo (s. Kommentar Nr.  17) auf der Seite der Evangelischen Kirchengemeinde Tiergarten.

Artikel in der Berliner Woche

Update 6. Februar 2016: Der neue Präsident des LaGeSo sagt die Umnutzung ab, sie wird nicht benötigt.

Eigentlich was älteres, schon von 2007, die Webcam beim Horst des Turmfalkenpaares mit Tagebuch des NABU.

Kontakt:
Webseite der Evangelischen Kirchengemeinde Tiergarten mit Heilandskirche, St. Johannis, Erlöserkirche, Kaiser-Friedrich-Gedächtnis-Kirche, Familienzentrum Meerbaum-Haus

Webseite des Evangelischen Kirchenkreis Berlin Stadtmitte

21 Kommentare auf "Marode Moabiter Kirchtürme"

  1. 1
    prolet says:

    Der Link auf die Deutsche Stiftung Denkmalschutz (DSD) ist ja schon im Abspann des Artikels angegeben. Vielleicht ist es ja möglich, das ganz besondere dieser beiden Tiergartener Kirchen herauszuarbeiten, denn dann wäre es vielleicht möglich, über die Zeitschrift „monumente“ der DSD Spenden einzuwerben (meine grammatikalische Fehlleistung mit zweimal vielleicht ist leider einer Befürchtung meinerseits geschuldet). Das Problem dürfte aber darin liegen, daß diese Kirchen zu einem großen Kirchenbauprogramm gehört haben und das viele der in der monumente vorgestellten Kirchen – meist ziemlich alte Dorf- und Kleinstadtkirchen – in einem weit beklagenswerterem Zustand sind (zum Teil besteht da Einsturzgefahr) und in der Tat Unikate sind, deren Verlust nie nehr auszugleichen wäre. Wenn man da die Gelder der A 100 umwidmen könnte …

  2. 2
    Susanne Torka says:

    Gotthard Schulte-Tigges vom LebensTraum e.V. hat uns das Foto von den Industriekletterern auf dem Kirchturm zur Verfügung gestellt. Vielen Dank!

  3. 3
    vilmoskörte says:

    Schönes Bild! Ich war leider nicht zur Stelle, als die Baukletterer die grüne Mütze angebracht haben.

  4. 4
    Susanne Torka says:

    Dafür warst Du zur Stelle als der Kirchturm mit der ganzen Kreuzung beleuchtet wurde, in Wirklichkeit eher weniger intensiv als auf Deinen schönen Fotos:
    http://vilmoskoerte.wordpress.com/2011/12/18/moabit-leuchtet/

  5. 5
    Susanne Torka says:

    Der Kirchturm der Heilige-Geist-Kirche ist schon bald fertig – zumindest das Dach – und jetzt hat auch die Kirchengemeinde Moabit West mit dem Bezirksamt einen Kooperationsvertrag zur Sanierung geschlossen, Finanzierung zu 50% aus Eigenmitteln und 50% aus dem Aktiven Zentrum. Hier die Pressemitteilung:
    http://www.berlin.de/ba-mitte/aktuell/presse/archiv/20140415.1115.396381.html

  6. 6
    Pyniker says:

    Schade das wieder mal der Steuerzahler für Sarnierung von irgendwelchen Sakralbauten herangezogen wird. Reichen die geschätzen >200 Milliarden Euro Vermögen der evangelischen Kirche in Deutschland nicht mehr aus?

  7. 7
    max says:

    Ich finde das unverschämt! Es fehlt angeblich überall an Geld. Es ist nicht genug Geld da um öffentliche Einrichtungen wie Bibliotheken zu betreiben. Im sozialen Bereich wird gespart wie es nur geht. Zur Durchsetzung des Zweckentfremdungsverbotes für Wohnraum wird es nicht genug Personal geben. Es fehlt an allen Ecken und Enden an bezahlbarem Wohnraum. Und was tut man? Kirchen sanieren. Da fehlen mir die Worte! Soll ich jetzt dahin gehen um den lieben Gott um die Lösung dieser Probleme zu bitten? Für mich ist das nicht mehr weit entfernt von der Veruntreuung von Steuergeldern.

    Im übrigen: Wir reden hier von 900.000€.

  8. 8
    Rané says:

    Zweifelhaft ist die Teilfinanzierung aus Mitteln vom Aktiven Zentrum. Da hätte es andere Töpfe gegeben. Aber die Gemeinde macht eine gute Arbeit.Von daher unverständlich, so einen Betrag aus einem Topf zu nehmen, der eigentlich für andere Projekte gedacht war.

  9. 9
    Rané says:

    http://www.turmstrasse.de/projekte/kleiner-tiergarten.html
    Das „so gennante“ Aktive Zentrum war demnach auch für die „Sitzkiesel“ verantwortlich. Jemand sollte doch von unabhängiger Seite mal die Projekte des „Aktiven Zentrums“ überprüfen.

  10. 10
    Mignon Gräsle says:

    Auskunft der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt:
    Das „Aktive Zentrum Turmstraße“ wird seit 2008 im Programm Aktive Zentren gefördert.
    In den Programmjahren 2008 – 2013 wurden bisher auf Antrag des Bezirks Mittel in Höhe von 11,5 Mio. € bewilligt.
    55 % der Mittel sind für die Erneuerung von Grünanlagen, und Spielplätzen, 20 % für die Erneuerung von Verkehrsanlagen und 25 % für die Finanzierung von Gebietsmanagement, der Öffentlichkeitsarbeit, der Beteiligungsverfahren und für soziointegrative Maßnahmen vorgesehen. Die jährlich fortzuschreibende Kosten- und Finanzierungsübersicht sieht Gesamtkosten für Gebietsentwicklung (inklusive sozialer Infrastruktur) in Höhe von 33 Mio. € vor.

  11. 11
    Thomas Koh says:

    Die Erneuerung des Kirchturms aus dem Programmtitel kann und möchte ich nicht kommentieren.

    Hier aber eine interessante Programmblüte: Im Berliner U-Bahnbereich (Kulturplakate) sieht man derzeit die Imagekampagne des Aktiven Zentrums Müllerstraße, so auf dem U-Bahnhof Spichernstraße ein Plakat mit der Aussage „Wo kann mein Kínd spielen? Müllerstrasse“

  12. 12
    taylan says:

    Völlig unverständlich, diese Kritik an der Sanierung der Kirche aus AZ Mitteln. Mittlerweile müsste doch jedeR kapiert haben, dass Mittel des Aktiven STadtteilzentrums nur für bestimmte Dinge verausgabt werden können und nicht für den Personalbedarf des Bezirksamts. Ich finde im Übrigen die Sanierung der Kirche mit Unterstützung aus AZ Mitteln ausdrücklich gut!

  13. 13
    max says:

    @12 „Mittlerweile müsste doch jedeR kapiert haben, dass Mittel des Aktiven STadtteilzentrums nur für bestimmte Dinge verausgabt werden können und nicht für den Personalbedarf des Bezirksamts.“

    Dann kritisiere ich diesen Fakt gerne gleich mit. Dieses Aufteilen in „Töpfe“ ist meiner Meinung nach Bürokratie in einer ihrer schlimmsten Formen. Das führt regelmäßig dazu, dass Geld aus einem Topf aus (oft unerfindlichen) Gründen nicht genutzt wird, während an anderen Ecken gespart werden muss. Beliebt ist ja auch das Geld „noch schnell“ auszugeben, weil der Topf sonst nächstes Jahr kleiner wird.

    Im übrigen: Ich habe keinesfalls kritisiert, dass hier Geld aus irgendeinem Topf für die Sanierung ausgegeben wird. Ich kritisiere den generellen Fakt, dass überhaupt Steuermittel für den Erhalt von Gotteshäusern verwendet werden.

  14. 14
    Susanne Torka says:

    Die Aufteilung öffentlicher Mittel in verschiedene Töpfe ist schon notwendig, um sie überhaupt handhaben zu können. Über die Verteiliung auf die verschiedenen Töpfe könnte man natürlich streiten. Und dann kommen dazu noch die Regularien für EU-Fördertöpfe … ein weites Feld …
    Aber um auf die Kirchen und ihre Türme zurückzukommen: ich finde schon, dass die Sanierung der Kirche eine Aufgabe ist, die mit Mitteln des Aktiven Zentrum unterstützt werden sollte. Dabei geht es mir weniger darum, dass „die Kirche“ Geld bekommt, denn da habt Ihr ja Recht, dafür ist die Kirchensteuer da (und auch diese könnte wohl anders verteilt werden). Aber die Kirchengebäude sind doch auch Denkmale und markante Gebäude im Stadtraum. Sie gilt es zu erhalten und gegebenenfalls auch neue Nutzungen zu finden. Und bei den neuen Nutzungen muss es natürlich auch ein Umdenken der Kirchen geben, was sie zulassen.
    Ich füge hier nochmal die im Artikel schon verlinkte „Denkmal Debatte“ an:
    http://www.denkmaldebatten.de/engagement/engagement-fuer-kirchen/eine-gesellschaftliche-herausforderung/

  15. 15
    Pyniker says:

    Ich möchte und kann nur in’s gleiche Horn stoßen wie max @13.
    Susanne @14 kann ich nur teilweise zustimmen. Wenn Kirchengebäude nicht in öffentlicher Hand und damit nicht „entwidmet“ sind, sollte der Besitzer dieser Gebäude auch für Unterhalt und Instandsetzung aufkommen.
    Aber wahrscheinlich dauert es nochmal zweitausend Jahre bis die Trennung von Staat und Kirche wirklich vollzogen wurde.

  16. 16
    Rané says:

    zu 10
    Mit dem Finanzvolumen wäre auch das Hansatheater als multifunktionaler Veranstaltungsort zu retten.
    Da sollten die derzeitigen Eigentümer mal schnell einen Antrag stellen. Bin auch dafür, bei Fördersummen
    über 10.000,- € die Projekte sehr genau zu prüfen und vor einer endgültigen Entscheidung zu veröffentlichen. Das BER-Fiasko sollte doch allen eine Warnung sein.

  17. 17
    Zeitungsleser says:

    Soll die Stimmung „gekippt werden“? Oder was ist der Hintergrund dieser Entscheidung des Gemeindekirchenrats?
    http://www.berliner-woche.de/hansaviertel/politik/gemeinde-tiergarten-stimmt-nutzung-der-heilandskirche-durch-lageso-fuer-zwei-jahre-zu-d93732.html

  18. 18
    Christine says:

    Eine gute Idee scheint mir das auch nicht zu sein, aber vielleicht ist der Bischof einfach froh eine Kirche weniger zahlen zu müssen?
    Für geeignter hätte ich ein Verwaltungsgebäude der Kirche gehalten, dass ist auch als Signal deutlich besser geeignet würde ich denken.

  19. 19
    H. E. says:

    Nur 1 Klo in der Kirche, aber dafür für viele Monate lang Dixiklos (so im Berliner Woche-Artikel) auf dem einzigen und zentralen Platz von Moabit !! Danke an alle, die dafür in Politik und Verwaltung verantwortlich sind.
    Vielleicht sollten wir Zettel an die Dixiklos machen mit dem Hinweis, dass es gegenüber im Rathaus jede Menge geheizte Klos inkl. Waschbecken zum Händewaschen und auch eine Halle zum Aufwärmen gibt.

  20. 20
    Christine says:

    Der neue LaGeSo Chef hat das Angebot der Kirche abgelehnt.

  21. 21
    Susanne Torka says:

    Hier ist die Quelle, die offizielle Seite der fusionierten evangelischen Kirchengemeinde Tiergarten:
    http://www.ev-gemeinde-tiergarten.de/blog/11366

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