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„Mich hat ja niemand gezwungen“

Carsten Spallek (CDU) ist seit Oktober 2011 Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung, Bauen, Wirtschaft und Ordnung. Zuvor war der 40-Jährige Stadtrat für Wirtschaft im Bezirk Mitte. Ein Interview.

Herr Spallek, Ihr neues Amt ist mit den Bereichen Stadtentwicklung, Bauen, Wirtschaft und Ordnungsamt ein Superressort – eine große Verantwortung.
Es ist ein anspruchsvolles Ressort, aber ich halte den Zuschnitt für sehr sinnvoll. Stadtentwicklung und Wirtschaft gehören durchaus zusammen – das sehen Sie schon an den Aktiven Zentren: Für die Entwicklung der Geschäftsstraßen kann die enge Kooperation dieser Verwaltungen nur förderlich sein. Investitions- und Bauvorhaben, Straßennutzung, Wirtschaftsförderung, Landschaftsplanung können nun wesentlich besser koordiniert werden. Investoren müssen jetzt nicht mehr zu zwei oder drei Stadträten. Es gibt eine einheitlichere Linie. Ich hoffe, dass viele Prozesse damit einfacher gestaltet werden können. Denken Sie allein an das öffentliche Straßenland: Schankvorgärten beispielsweise werden vom Tiefbauamt genehmigt, müssen aber vom Ordnungsamt kontrolliert werden. Gerade am Anfang ist das neue Ressort natürlich eine große Beanspruchung. Aber das ist selbstgewählt – mich hat ja niemand gezwungen.

Sie sind selbst im Wedding groß geworden. Welche Erinnerungen haben Sie an den Kiez?
Aufgewachsen bin ich in der direkten Nachbarschaft des Rathauses Wedding: an der Ecke Genter / Luxemburger Straße. Als Kind bin ich auf dem kleinen Hügel vor der Beuth-Hochschule gerodelt. Wo heute das Leo-Center steht, kauften wir damals immer Rostbratwurst mit Senf. Am U-Bahnhof Wedding gab es Spielzeug bei „Spiele-Obst“. In der Müllerstraße gab es in den 80er Jahren einen der ersten Nike-Läden in Berlin, zudem das „Haus der guten Salate“, das Obst- und Gemüsegeschäft „Früchte der Welt“ …  Eingeschult wurde ich in der Möwenseeschule, später ging ich aufs Ranke-Gymnasium im Brunnenviertel. Dann machte ich eine Ausbildung  zum Bankkaufmann bei der Sparkasse – den praktischen Teil davon in der Filiale am Leopoldplatz. Später studierte ich Betriebs- und Bankwirtschaft und arbeitete dann im IT-Bereich.

Wie kamen Sie zur Politik? 
1988 trat ich mit 17 Jahren in die Junge Union und in die Schülerunion ein. Wir waren damals im Ranke-Gymnasium nicht in der Mehrheit, wie Sie sich denken können. Aber so lernte ich, Überzeugungen und Positionen, die ich für richtig halte, auch gegen Widerstände zu vertreten. In die CDU bin ich dann allerdings erst viel später eingetreten. Ich wurde damals überzeugt, in den ehemaligen Ortsverband Rehberge einzutreten und einen Beitrag zur Verjüngung zu leisten, weil die meisten Mitglieder damals 50+ waren. 1995 wurde ich Bezirksverordneter im Wedding, 2001 dann Fraktionsvorsitzender der CDU und 2009 Stadtrat.

Ein Thema, das die Bewohner in Moabit und Wedding sehr beunruhigt, sind die Spielhallen. Seit dem letzten Sommer gibt es in Berlin ein neues Gesetz dagegen – wirkt es?
Eindeutig ja. Lassen Sie mich dazu einige Zahlen nennen: Allein zwischen August 2010 und Februar 2011 gingen im Bezirk Mitte 79 Anträge für eine Spielhallen-Konzession ein, davon mussten wir damals 77 genehmigen. Seitdem jedoch im Juni 2011 das Berliner Spielhallengesetz in Kraft trat, ging nur noch ein einziger Antrag ein, und den konnten wir ablehnen. Das Gesetz funktioniert also weitgehend, auch wenn ich mir einige Formulierungen etwas konkreter gewünscht hätte. Es kam aber zu spät, denn die Genehmigungen, die wir damals noch erteilen mussten, können wir jetzt nicht mehr zurücknehmen. Alle Fraktionen in Mitte haben frühzeitig den Senat gedrängt, ein Gesetz zu erlassen, um die massive Ausbreitung von Spielhallen eindämmen zu können. Ich habe an der Ausarbeitung des Gesetzesentwurfs der Berliner CDU vom August 2010 mitgewirkt – doch es dauerte noch fast ein Jahr, bis das Gesetz endlich in Kraft trat. Wenn seitdem neue Casinos eröffneten, dann jene, die davor noch genehmigt werden mussten.

2016 sollen laut Gesetz die ersten Spielhallen-Konzessionen auslaufen. Dann könnten in Moabit und Wedding wieder etliche Gewerberäume frei werden … 
Bislang haben Eigentümer vor allem wegen der zu erzielenden hohen Mieten an Spielhallen vermietet. Wenn die Konzessionen auslaufen, ist die Frage, ob diese Räume dann dauerhaft leer stehen – oder ob sich die Mieterwartungen wieder auf ein realistisches Maß einpegeln.

In der Innenstadt sorgen sich die Bewohner nicht nur über steigende Mieten, sondern auch über die zunehmende Umwandlung in Ferienwohnungen, wodurch Wohnungen dem Mietermarkt entzogen werden.
Das ist ein großes Problem in den Innenstadtbezirken. In Moabit beispielsweise betrifft das ca. 700 Wohnungen. Ich setze mich vor allem dafür ein, mit Hilfe der Betriebsverordnung gegen die großflächige Umwandlung ganzer Häuser in Ferienwohnungsanlagen vorzugehen, indem wir Sicherheitsmaßnahmen wie z.B. einen zweiten Fluchtweg einfordern. Bei der Vermietung einzelner Ferienwohnungen haben wir im Bezirk jedoch derzeit keine Handhabe. Skeptisch stehe ich der Forderung gegenüber, über eine Zweckentfremdungsverordnung die Umwandlung von Wohnraum zu Ferienwohnungen zu verbieten. Denn es gibt Gerichtsurteile, die eindeutig besagen, dass auch Ferienwohnungen Wohnzwecken entsprechen – egal, wie kurz- oder langfristig. Und als Verwaltung sind wir an die geltende Rechtssprechung gebunden. Mit einem generellen Zweckentfremdungsverbot würden aber vor allem jene getroffen, die eigentlich damit nicht gemeint waren: Physiotherapeuten, Anwälte, kleine Büros.

Mit Ihrem Amt sind Sie jetzt vom Rathaus-“Neubau“ Wedding in den benachbarten Altbau umgezogen, der Bezirk vermietet den Hochhausturm nun an das Jobcenter Mitte. Doch ursprünglich sollte die Beuth-Hochschule das Haus übernehmen, um den Bildungsstandort zu stärken. 
Das Jobcenter als Mieter des Rathaus Neubaus ist sicherlich nur die zweitbeste Lösung, die Beuth-Hochschule wäre die bessere gewesen. Aber in den Verhandlungen im vergangenen Jahr hielt sich die Hochschule leider sehr bedeckt. Das Jobcenter hatte das bessere Angebot: Immerhin bringt es rund 4 Millionen Euro für die Sanierung des Gebäudes mit und kann es sofort übernehmen. In jedem Monat fallen dem Bezirk nämlich rund 120.000 Euro Kosten für das Hochhaus an, die an anderer Stelle im Bezirkshaushalt fehlen.

Es gibt noch viele Themen in den nächsten Jahren für Ihr Ressort im Bezirk. Eine vorerst letzte Frage zur Entwicklung des Schultheiss-Areals in Moabit: Während die Neubelebung des Hertie-Areals zügig Konturen annimmt, ist auf dem benachbarten Schultheiss-Gelände trotz Bebauungsplan keinerlei Entwicklung in Sicht. Andererseits möchten die Hertie-Investoren  gern auch bald die Eckbebauung an der Turm-/Stromstraße entwickeln. Dem stand jedoch zuletzt die Befürchtung der Senatsverwaltung entgegen, dass zusammen mit der Entwicklung des Brauereigeländes zuviel Einzelhandelsfläche entstehen würde. Wie ist der Stand der Dinge, und wie beurteilen Sie als Wirtschafts- und Stadtentwicklungsstadtrat die Situation? 
Der Bebauungsplan für das Schultheiss-Areal liegt derzeit bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung zur Rechtsbegutachtung. Dabei geht es um kleinere Ergänzungen und Konkretisierungen bei der Begründung. Der Investor hat großes Interesse an einer schnellen Festsetzung des B-Planes, um Rechtssicherheit zu erlangen und den Bauantrag einzureichen. Dann wil er schnellstmöglich mit dem Bau beginnen. Für einen Hertie-Erweiterungsbau muss zunächst sanierungsrechtlich dessen Verträglichkeit geprüft werden – denn inzwischen ist das Areal ja Sanierungsgebiet. Und das Zentrenkonzept des Senats sieht insgesamt eine Begrenzung der Einzelhandelsflächen für die Turmstraße vor. Im Bezirk wollen wir jedoch beides: Schultheiss, aber auch die Gestaltung und Entwicklung der gegenüberliegenden Ecke als Ergänzung des Hertie-Areals. Die politische Zielstellung ist, dass sich beides miteinander vertragen soll. Denn wir denken ja auch ein paar Jahre weiter: Im Gebiet um die Heidestraße beispielsweise werden viele Menschen hinziehen. Und in Moabit ist ja durchaus Kaufkraft da – aber sie fließt oft ab in andere Geschäftszentren. Deshalb liegt uns sehr daran, vor Ort mehr qualifizierte Angebote zu ermöglichen.

Interview: Christof Schaffelder, Ulrike Steglich, Foto: T. Schnitzler

Zuerst erschienen in „ecke turmstraße„, Nr. 1 – Februar 2012

Nachtrag:
Ein aktuelles Interview in der Berliner Woche vom 21.8.15.

5 Kommentare auf "„Mich hat ja niemand gezwungen“"

  1. 1
    Zeitungsleser says:

    über Rot-Schwarz, Bürgerbeteiligung und Baustadtrat Spallek, nicht besonders neu, aber trotzdem interessant:
    http://www.taz.de/Wie-Rot-Schwarz-regiert/!96797/

  2. 2
    Rané says:

    Dazu kann ich nur sagen Basta Spallek, Basta Hanke und Basta Wowereit! Weg mit dieser Betonmafia !!!

  3. 3
    H. E. says:

    Dieses Interview wird erst recht untragbar und ist so überflüssig wie ein Sack Reis, der in China umfällt – wenn man weiss, dass der Herausgeber der „ecke turmstrasse“ ausgerechnet das Bezirksamt Mitte ist.

  4. 4
  5. 5

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