Zofia Wieczorkowska betreibt vier polnische Lebensmittelläden – einen davon in Moabit  

Jeden Mittwoch macht sich Zofia Wieczorkowska mit ihrem Kühlwagen auf den Weg ins polnische Szczecin, um für ihre vier Lebensmittelgeschäfte einzukaufen. Auf Lieferanten verlässt sie sich nicht. Zofia nimmt die Dinge lieber selbst in die Hand. 

Zu verfehlen ist das Geschäft für polnische Spezialitäten auf der Turmstraße kaum: Eine riesige Krakauer-Wurst aus Kunststoff hängt direkt neben dem Schaufenster.   Hier, in der Turmstraße 13, nahm Zofias Geschäftsleben seinen Anfang. Als sie vor zehn Jahren bei Wertheim entlassen wurde, brach für sie eine Welt zusammen. Sie hielt sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser, kümmerte sich um ihre Kinder und den Haushalt. Doch das war ihr nicht genug. Sie suchte eine neue Herausforderung und eröffnete mit ihrem Mann im April 2009 das Lebensmittelgeschäft «U Zosi» (bei Sofia). Es folgten eine zweite Filiale in Spandau, eine weitere in Lübars und eine in Marzahn. Sie kümmert sich um die Läden, ihr Mann Dariusz um die Geschäftsführung.
Den Tag der Eröffnung in der Turmstraße hat sie noch gut in Erinnerung. Nach einem polnischen Aberglauben laufen die Geschäfte gut, wenn der erste Kunde ein Mann ist. „Wir saßen da und haben die Daumen gedrückt. Gott sei dank,“ sagt sie lachend, „hat zuerst ein Mann eingekauft!“

Frische und Vielfalt haben für Zofia oberste Priorität. Dazu gehört auch, dass sie selbst nach Polen fährt, um einzukaufen. Besonders beliebt ist die große Auswahl an Wurst, Käse und frischen Backwaren. Sie legt Wert darauf, in ihren verschiedenen Läden unterschiedliche Produkte anzubieten und individuelle Bestellungen aufzunehmen. Im polnischen Fernsehen hält sie immer Ausschau nach neuen Produkten. Sie ist stolz, wenn ihre Kunden erstaunt feststellen, dass sie hier in Berlin Neuheiten anbietet, die man in vielen polnischen Läden noch nicht bekommt. In der Weihnachtszeit kann man sogar Oblaten kaufen, die es sonst nur in der Kirche gibt.
«Zurek», die traditionelle Sauermehlsuppe,  die vorgekochten Piroggen oder die polnischen Lutscher in Herzform laufen in der Turmstraße besonders gut Etwa die Hälfte der Kunden hier sind Polen, sie kommen aus Moabit und den umliegenden Bezirken. Nur ca. zwanzig Prozent der Kundschaft sind Deutsche – doch es kommen immer mehr.

Wie schafft sie es, vier Geschäfte, sechs Kinder und neun Enkelkinder unter einen Hut zu bringen? „Ich wollte immer ein besseres Leben für mich und meine Kinder“, sagt Zofia. Sie stammt aus Kujawy, einem kleinen 3000-Seelen-Ort westlich der Weichsel. Ihr Leben dort sei schwer gewesen, sie hätte auch öfters Hunger gehabt.
Seit 1989 lebt sie in Moabit und findet, dass die Gegend sich in den letzten Jahren gut entwickelt hat. Nur die fehlenden Einkaufs- und Freizeitmöglichkeiten bedauert sie. Anfangs hatte sie große Sorgen, ob in dieser ruhigen Ecke der östlichen Turmstraße ein polnisches Lebensmittelsgeschäft überhaupt genug Umsatz erzielen könnte. Doch sie ist gelassener geworden, auch weil sie auf eine große Stammkundschaft zählen kann, die es zu schätzen weiß, dass bei Zofia der Kunde König ist.

In der Turmstraße sieht man sie mittlerweile nur noch selten, sie ist ständig unterwegs zwischen Polen und den verschiedenen Filialen in der ganzen Stadt. Auch jetzt hat sie es eilig: „Ich muss noch in Spandau vorbeischauen, dann meine Kleine von der Schule abholen und zum Tanzen bringen und die Bestellungen für nächste Woche vorbereiten.“ Sie verabschiedet sich, winkt noch mal, steigt in ihren Wagen und braust davon.

Text: Nathalie Dimmer, Foto: Christoph Eckelt, bildmitte

Sklep spozywcz «U Zosi», Turmstraße 13, 10559 Berlin, www.uzosi.de

Zuerst erschienen in „ecke turmstraße„, Nr. 1 – Februar 2012