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Meine Kindheit in Moabit

Ich bin in der Nachkriegszeit geboren und lebte mit meinen Eltern, einem Bruder und Großeltern in einer Wohnung in der Rathenower Straße. Gern erinnere ich mich an die Zeit von damals zurück. Es gab weder Fernsehen noch Telefon. Das Einzige, was wir hatten, war ein Radio, das Abwechslung bot. Für mich die Sendung Onkel Tobias vom Rias, für meine Eltern die Krimireihe „Es geschah in Berlin“ und die Großeltern hörten „Der Insulaner“. Langeweile gab es bei mir nicht. Vormittags war ich in der Stephan-Schule und freute mich schon auf die tägliche Schulspeisung. Ich mochte am liebsten Grießbrei mit Rosinensoße. Wenn ich dann Schulschluss hatte und schnell nach Hause rannte, klapperte der Alutopf an meinem Ranzen hin und her, die ganze Perleberger Straße entlang.

Am Nachmittag mussten erst mal Einkäufe für die Mutti gemacht werden. Da gab es den Milchmann Hahn in der Rathenower Straße und dann den Lebensmittelladen Maul und den Tabakwarenladen Klein, beide Ecke Rathenower / Perleberger Straße und nicht zu vergessen, die Lieblingskneipe meines Vater’s auf der gegenüberliegenden Seite der Straße. Wenn ich meinen Vater abholte, gab es dort immer meine geliebte Fassbrause und für einen Groschen eine Handvoll Erdnüsse aus einem kleinen Automaten, der auf dem Tresen stand. Als ich letztes Jahr, nach vielen Jahren wieder einmal in Berlin war, war auch ein Besuch in der kleinen Kneipe an der Rathenower Straße fällig. Ich fühlte mich in meine Kindheit versetzt. Außer ein paar Kleinigkeiten war alles so geblieben. Das Mobiliar, das vor dem ersten Weltkrieg eingebaut wurde, erstrahlte noch in alter Schönheit. Die Wirtin war sehr nett und ich erfuhr, was sich hier so in den letzten Jahren alles verändert hatte.

Wenn ich die Besorgungen erledigt hatte, ging es entweder in den Fritz-Schloß-Park oder auf den Stephan-Platz zum Spielen. Man traf sich dort mit Freundinnen oder lieh sich bei einem kleinen Fahrradhändler in der Stephanstraße, für 50 Pfennig ein Bambi-Rad und drehte ein paar Runden durch die Straßen.

Am Abend konnte man nicht ohne das Quietschen der Straßenbahn, die aus der Rathenower Straße um die Ecke, in die Perleberger Straße bog, einschlafen. Im Frühjahr wartete man, dass es raus ging um Hopse zu spielen. Die alten Granitplatten auf dem Bürgersteig der Rathenower Straße waren dafür hervorragend geeignet und im Winter ging es dann mit dem Schlitten auf die Todesbahn im Fritz-Schoß-Park.

So sind die Jahre vergangen. Heute lebe ich in einer norddeutschen Stadt und erinnere mich gern an Moabit und bin fleißiger Leser von Moabit-Online. Bei jedem Berlin-Besuch führt mich der Weg nach Moabit um Freunde zu treffen und immer zu schauen, was sich in Moabit alles verändert hat. Schade nur, dass jetzt so viele der alteingesessenen Bewohner verdrängt werden um für Besserverdienende Platz machen zu müssen.

Text: Rosy Weinberger

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