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Eine neue Straße kriegt einen Namen

Im Frühjahr berichtete die Berliner Woche, dass eine kleine Straße am Hauptbahnhof, zwischen Invalidenstraße und Minna-Cauer-Straße gelegen, nach der Philosophin und Frauenrechtlerin Simone de Beauvoir benannt werden soll. Das klang gut. Sie wäre in guter Nachbarschaft gewesen, die französische neben der deutschen Frauenrechtlerin Minna Cauer, vereint mit den vielen bekannten und unbekannten Frauen, nach denen die neuen Straßen rund um den Hauptbahnhof benannt wurden. Der Bezirk Mitte hatte, wie auch der frühere Bezirk Tiergarten, schon vor Jahren einen Beschluss gefasst alle neuen Straßen nach Frauen zu benennen, bis das Geschlechterverhältnis der Straßennamen ausgeglichen ist, was vermutlich noch ziemlich lange dauern wird.

Doch – wie so oft – ist es ein Fehler sich auf eine Pressemeldung zu verlassen. Denn morgen eröffnet der Tour Total. Der französische Mineralölkonzern lädt am kommenden Wochenende Berlinerinnen und Berliner ein, seine Deutschlandzentrale im ersten Hochhaus der Europacity zu besichtigen. Die Adresse: Jean-Monnet-Straße 2. Wie kommt das?

Ich versuche es herauszufinden. Doch je länger ich mich mit dem Thema beschäftige, um so verworrener wird es eigentlich. Und auch ein bisschen belustigend. Ob es mir gelungen ist, diesen Knoten ein wenig zu entwirren,  kann ich nicht sagen.

Auf meine erste Nachfrage höre ich, die Entscheidung hätte nicht Total getroffen, sondern der Senat. Aber wen im Senat könnte ich dazu befragen? Keine Ahnung. Also halte ich mich an den Bezirk und erkundige mich bei Baustadtrat Carsten Spallek, der erklärt, dass der Bezirk gar nicht zuständig sei, da es sich um eine Privatstraße handele. Da beurteile die Verwaltung nur, ob die Vorschläge des Eigentümers mit dem Berliner Straßengesetz zu vereinbaren seien. Im Straßengesetz finde ich allerdings unter Benennung nichts weiter, als dass diese der Orientierung dienen soll, und bei Privatstraßen, die Kosten durch den Eigentümer getragen werden müssen.

In den Unterlagen der BVV Mitte finde ich schließlich einen Dringlichkeitsantrag vom 15. März 2012, eingebracht von der Ausschussvorsitzenden und stellvertretenden Ausschussvorsitzen des Ausschuss für Bildung, Kultur und Umweltschutz, besagte Straße nach Simone de Beauvoir zu benennen. Diesen hat die Mehrheit der BVV Mitte auch am 22. März beschlossen (einen Tag nach dem Artikel in der Berliner Woche). Dann gibt es allerdings noch eine Vorlage zur Kenntnisnahme vom 1. Juni 2012 (Drs. 246/IV), die sich jede/r vielleicht mal selbst durchlesen sollte, um einen Einblick zu bekommen, wie Verwaltung manchmal arbeitet. Der Beschluss wäre verfrüht, es hätten Begründungen gefehlt, außerdem könne die Feuerwehr im Ernstfall die Simone-de-Beauvoir-Straße mit der Simon-Bolivar-Straße verwechseln. Inzwischen müssen auch weitere Namen im Gespräch gewesen sein, die von der CA Immo als Eigentümerin dem Bezirk vielleicht auch schon gleich von Anfang an vorgeschlagen worden waren: René Cassin, Édith Piaf, Jean Monnet und Robert Schumann. So weit, so gut, alle mit Bezug zu Frankreich. Hat die BVV also nur den Fehler gemacht, eine Entscheidung zu treffen, die ihr nicht zustand und diese noch nicht einmal zu begründen? Wer dann aber die Ablehnungsgründe für die Namensvorschläge liest, kann wirklich nur den Kopf schüteln. In dieser BVV-Drucksache wurde schließlich auch der Name Jean Monnet abgelehnt, mit der Begründung, er könne mit Jean Jaures verwechselt werden. Der BVV-Ausschuss für Bildung, Kultur und Umweltschutz will Baustadtrat Spallek noch einmal einladen, um eine stichhaltige Erklärung zu bekommen.

Mittlerweile brauchte der Tour Total aber schließlich eine Adresse. Der Pressesprecher der CA Immo aus Frankfurt/Main teilte mit, dass alle Beteiligten sehr glücklich seien, eine so gute Lösung gefunden zu haben: in der Europacity die Straße nach einen Nicht-Politiker zu benennen, der sich um die europäische Einigung verdient gemacht hat. Da hat er nun auch wieder recht. Und wer weiß, vielleicht bleibt für Simone de Beauvoir ja noch eine andere Straße in der Europacity übrig. Eine der unzähligen Provinzpossen der Berliner Verwaltung!

Tag der offenen Tür bei Total:
13. und 14. Oktober 2012, 12 – 18 Uhr, die oberste Etage des Gebäudes ist für Besucher zugänglich. Um die Sicherheit zu gewährleisten werden Kontingente vergeben (an beiden Tagen können ca. 2.500 Besuher durchgeschleust werden).
Rahmenprogramm vor dem Haus mit Berliner Gruppen und Vereinen z.B.: Annedore-Leber-Berufsbildungserk, ALBA Berlin, beVoice, DRK, die gelbe villa, kein Abseits!, Kinderzirkus Cabuwazi, 1. FC Union Berlin und Morus 14 e.V. Der Rennwagen von Sebastian Vettel wird ausgestellt.

Nachtrag:
Kurzbericht zur Eröffnung des Tour Total als Nachtrag zum alten Artikel.

Die Straße gibt ihren Namen auch dem nächsten Bürogebäude, das neben dem Total Tower an der Minna-Cauer-Straße begonnen wurde („Monnet 4“ im Tagesspiegel, Projektdaten der CA Immo, Berliner Morgenpost und „Kleine Brüder und große Klötze“ in der Berliner Zeitung zu Monnet 4 und weiteren Gebäuden in der Europacity).

Projektdaten zu Monnet 4 auf Webseiten der Architekten Barkow Leibinger und von beteiligten Firmen: Züblin, omniCon imd corpo two. Die CA Immo hat neben der Finanz- und Vermögensberatung MLP, die knapp die Hälfte der Büroflächen mietet, weitere Mieter gefunden, z.B. ADTRAN (Baustellenbesichtigung),

Über das Richtfest berichtete die Immobilien Zeitung am 18.5.14 – es geht schnell voran.

Daneben wird ab Herbst 2015 das sog. KPMG-Gebäude errichtet. Auch der Tagesspiegel hat berichtet über Baufeld 3 und Rieck 1 (und weitere Gebäude südlich des Hauptbahnhofs). Berliner Woche über KPMG-Gebäude.

Monnet 4 bei Vilmoskörte und schöne Bilder auf der Architektenwebseite.

2 Kommentare auf "Eine neue Straße kriegt einen Namen"

  1. 1

    Der ruhige Erzählduktus überdeckt ein wenig, dass ich im Kopfkino irgendwie an Kasperletheater denken musste. tri-tra-tralala. Aber Spaß bei Seite. Warum bitteschön steht nicht irgendwo in einfachen für jeden verständlichen Sätzen drin, wer Straßennamen vorschlagen darf, wer entscheidet und wer ggf. Wettbewerbe und sonstigen Klimbim bezahlt. Das Gefühl, kafkaesk durch die Verwaltung zu müssen, um eine eigentlich einfache Frage verbindlich beantwortet zu bekommen, gehört auf den Komposthaufen der Geschichte. Transparenz muss man nur wollen. Und das ist eine politische Frage.

  2. 2
    Susanne Torka says:

    Am Anfang hatte ich mich schon aufgeregt, aber was bringt das?
    Also: wer darf Straßen benennen? Bei öffentlichen Straßen macht das die jeweilige Bezirks-BVV, in Mitte gibt es dazu einen AK Geschichte, diskutiert wird im Ausschuss für Bildung, Kultur und Umwelt. Aber bei Privatstraßen, s. oben, macht der Eigentümer Vorschläge und das Tiefbau- und Landschaftschaftsplanungsamt berät.
    Meistens wird über die Benennungen in den Ausschüssen und der BVV diskutiert, manchmal ziemlich kontrovers zwischen den Parteien, siehe vor Jahren beim Mathilde-Jakob-Platz. Aber hier war die Mehrheit der BVV ja einig!

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