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„Wir brauchen mehr Kultur!“

Avni Dogan will mit seinem „Café am Park“ ein Treffpunkt für alle sein und engagiert sich für Moabit

Herr Dogan ist nicht wütend oder zornig. Er ist einfach nur fassungslos: „Schade. Wie kann ein Mensch so etwas machen?“

Avni Dogan ist ebenso tatkräftig wie sanft. Und er kann nicht begreifen, wie Mitbürger so gedankenlos und gemein sein können. Erst vor ein paar Tagen wurden seine „Bürgerpötte“ feierlich eingeweiht: Fünf riesige Pflanzkübel, umhüllt mit gelber LKW-Plane, phantasievoll mit Blumen und anderen Gewächsen bepflanzt und gestaltet, platziert im und um den östlichen Kleinen Tiergarten, auch neben Dogans „Café am Park“ an der Stromstraße. Die „Bürgerpötte“ sind ein einzigartiger Blickfang und beliebtes Foto-Objekt – solche Kübel sieht man in Berlin sonst nirgendwo (siehe Foto unten).

Und nun hat irgendein Idiot eine wunderbare riesige weiße Blüte einfach abgesäbelt.

Avni Dogan ist bekümmert. „Es ist eine Schande.“

Um die Pflege der Kübel kümmert er sich selbst, es war seine Initiative, dass sie überhaupt aufgestellt werden konnten. Finanziert wurden sie aus dem Gebietsfonds des „Aktiven Zentrums Turmstraße“, wo er einen Antrag für die Pflanzkübel stellte, weil er etwas für den Moabiter Kiez tun will, in dem er seit 33 Jahren lebt. Eigentlich wollte er einen kleinen Bürgergarten anlegen. Seine Idee war, dass hinter seinem Café am Park jeder seine eigenen Blumen pflanzen kann, mit eigenen Namensschildchen. Dass ein paar Bänke aufgestellt werden, auf denen die Anwohner sitzen, sich über ihre Pflanzen unterhalten und so ins Gespräch kommen. Große und Kleine, Jüngere und Ältere. Dafür bräuchte man nur 200 Quadratmeter, Erde und ein paar Bänke. Aber der östliche Kleine Tiergarten hinter dem Café soll jetzt neu gestaltet werden, und dabei haben auch das Grünflächenamt und die Gartendenkmalpflege mitzureden. Deshalb wurde das mit dem Bürgergarten zunächst nichts, deshalb die mobilen Pflanzkübel als Ersatz.

Avni Dogan wurde vor 60 Jahren im türkischen Izmet geboren, 1979 kam er nach Moabit. Seit 30 Jahren ist er mit Leib und Seele Gastronom, der die internationale Küche beherrscht. Sein kleines „Café am Park“ wird hochgelobt, neben anderen Köchen bereitet auch seine Frau die mediterranen Gerichte zu. Er hat viel Geld in den Umbau des einstigen Döner-Imbisses investiert. Der gute Ruf des Restaurants spricht sich herum, es gibt neben vielen Stammgästen auch zahlreiche Anfragen aus Westdeutschland, von Hotels oder Firmen, die gern größere Gruppen hier feiern und essen lassen würden. Aber dafür ist der schöne, denkmalgeschützte 50er-Jahre-Pavillon zu klein, mehr als 20 Personen kann Dogan drinnen nicht unterbringen. Damit entgeht ihm auch das Vorweihnachtsgeschäft, wo viele Belegschaften gemeinsam feiern wollen. Mit dem Sommerumsatz finanziert er den Winter, das ist oft ein Nullsummenspiel.

Im Sommer kann man draußen sitzen, entweder vorn an der Stromstraße oder hinter dem Café zum Park hin. „Dort sitzen dann eher Ältere, die es gern ein bisschen ruhiger haben, oder Schriftsteller, die in Ruhe arbeiten möchten“, sagt Dogan. Vorn an der vielbefahrenen Stromstraße sitzen aber auch gern Gäste: „Sie schauen sich die Passanten und die Autos an“, lacht er.

Avni Dogan findet, sein Deutsch sei schlecht, es gäbe manchmal Verständigungsschwierigkeiten, beispielsweise mit dem Grünflächenamt. Aber sein Deutsch ist ganz gut – vielleicht liegt es eher an der komplizierten deutschen Ämtersprache.

Die Kollegin bestellt einen Tee, ihrem dreijährigen Sohn spendiert Dogan wie selbstverständlich gleich einen Kakao mit Sahne mit. Dogan ist zweifacher Vater (einer seiner Söhne hat Hotelmanagement studiert) und inzwischen auch Großvater. Jetzt unterhält er sich mit seinem 3jährigen Gast. Was Gastfreundschaft und Fürsorge für den Kiez betrifft, könnten sich hier viele etwas abschauen.

Moabit, sagt Dogan, sei eigentlich schön, aber leider in den letzten Jahren etwas heruntergekommen. Inzwischen werde es langsam wieder besser. Aber: „Es fehlen nette Cafés, Restaurants, gute Läden. Es gibt kein Kino, kein Theater, kein Museum. Es wäre besser, wenn die Schultheiß-Brauerei ein Kulturzentrum würde. Wir brauchen nicht noch ein Shopping-Center, Supermärkte gibt es hier genug. Wir brauchen mehr Kultur!“ Er möchte dazu beitragen, dass das Viertel wieder einen besseren Ruf hat – ein Viertel mit kulturellen Einrichtungen und netten Cafés, das man gern besucht.

Auch der Zustand des östlichen Kleinen Tiergartens macht ihm Sorgen. „Zu viele Drogen, zu viele Spritzen, die hier herumliegen. Das ist nicht gut für die Kinder.“ Es geht ihm nicht darum, jemanden zu verdrängen, sondern dass der öffentliche Raum so gestaltet wird, dass jeder seinen Platz finden kann, ohne sich gegenseitig zu stören.

Weil es so wenige gemütliche Cafés in dieser Ecke Moabits gibt, würde er gern einen kleinen Wintergarten hinter seinem Lokal einrichten. „Wir möchten ein Treffpunkt für alle sein!“ Vielleicht wird das mit der Neugestaltung des Parkabschnitts möglich, die Bürgerbeteiligung dazu hat gerade begonnen (siehe S. 3). Vier Bäume hinter dem Café müssten für einen Wintergarten weichen, doch ohnehin soll ausgelichtet werden, auch die Gartendenkmalpflege plädiert dafür und orientiert sich dabei an der ursprünglichen Parkplanung aus den 50er Jahren. Bei den ersten öffentlichen Parkrundgängen war Dogan natürlich dabei. Die Proteste gegen Baumfällungen im zugewachsenen Park kann er jedoch nicht teilen. „Alle brauchen doch Sonne: Blumen, Bäume, Sträucher. Und die Menschen natürlich auch! Gerade hier in Deutschland, wo es – anders als in der Türkei – nicht so viel Sonne gibt. Die meisten wollen in der Sonne sitzen. Schatten findet man immer – aber Sonne kann man nicht herbeizaubern.

Schauen Sie sich den neu gestalteten Ottopark an: Früher sind die Leute dort nur durchgelaufen oder sind erst gar nicht hineingegangen, weil sie Angst hatten. Jetzt, nach dem Umbau, kommen ganz viele Leute und genießen das Licht.“

Text: Ulrike Steglich, Fotos: Tanja Schnitzler

Zuerst erschienen in der ecke turmstraße, Nr 7 – oktober 2012.

Neuer Artikel über den Umbau und den Anbau der öffentlichen Toilette „Win-win„.

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