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Essen wie bei Oma

Zu Gast beim  „Dicken Engel“

„Kein Italiener würde auf seine Pasta verzichten, bloß weil sie typisch italienisch ist. Die Deutschen haben eher ein zurückhaltendes Verhältnis zu ihrer einheimischen Küche.  Sie denken, sie müssen immer möglichst international essen. Dabei hat die deutsche Küche viel zu bieten, und das wollen wir unseren Kunden vermitteln“, sagt Charlotte Ziems, Inhaberin des Alt-Berliner Gasthauses. Unübersehbar hängt im Eingangsbereich ein überdimensionierter dicker weißer Engel, viele liebevolle Details erzählen die Geschichte des Restaurants, das seit 1987 besteht. 2009 hat Frau Ziems den traditionsreichen Betrieb an der Birkenstraße übernommen. Seitdem hat sie das Angebot gutbürgerlicher Küche kontinuierlich ausgebaut.

„Von Cross-over-Konzepten halte ich nicht viel. Ich konzentriere mich lieber auf die Dinge, die ich gut beherrsche. Ich habe bemerkt, dass gerade auch junge Leute eine große Sehnsucht danach haben, dass das Essen wie bei Oma schmeckt. Viele wissen aber gar nicht mehr, wie sie die Speisen zu bereiten sollen, und kommen dann zu uns. Regionale Vielfalt darf nicht verloren gehen. Nahrung und Essen sind wichtige Kulturgüter und werden von den Deutschen wenig gepflegt. Bei uns wissen die Gäste, dass das Essen noch authentisch ist.“

„Stolzer Heinrich“ und „Kalter Hund“

Im „Dicken Engel“ werden Kartoffelpuffer und Schnitzel angeboten, aber auch Gerichte wie „Stolzer Heinrich“ (Riesenrostbratwurst mit Kartoffelbrei, Sauerkraut und Biersauce) oder „Berliner Leber“ (Kalbsleber mit Apfelringen und Zwiebeln), die man anderswo nur noch selten essen kann. Eine Besonderheit sind auch mehrere Varianten vom „Kalten Hund“, den Charlotte Ziems aus einer kleinen Manufaktur bezieht. Die umfangreiche Karte ist gespickt mit vielen historischen Fotos aus Moabit und ganz Berlin, Anekdoten zu klassischen Gerichten wie der „Stulle“ oder „Bulette“ und witzigen Gedichten und Sprüchen in Berliner Mundart.

„Wir setzen auf hochwertige Produkte und frische Zubereitung. Wichtig ist aber auch, dass die Atmosphäre stimmt. Die Menschen wissen es sehr wohl zu schätzen, wenn sie rundum gut bewirtet werden,“ sagt die gelernte Restaurantfachfrau. 35 Jahre ist sie im Beruf, doch die Liebe zur Gastronomie begann bereits viel früher. Ihre Mutter war Köchin und hat im KaDeWe gekocht. Bereits als Kind kam sie in den Genuss von exotischen und besonderen Speisen. Doch für Charlotte Ziems sind es gerade die einfachen Dinge, die, wenn sie aus guten Zutaten bestehen, am allerbesten schmecken: „Eine gute Kartoffel mit tollem Quark macht mich glücklich.“ Sie hat lange in Studentenläden gearbeitet und viele Jahre das „Paulaners“ am Spreebogen geleitet. 2009 war sie eigentlich auf dem Sprung nach Peking, wo sie eine Filiale leiten sollte. Dann bekam sie die Möglichkeit, den „Dicken Engel“ zu übernehmen, und hat die Entscheidung nicht bereut. Sie führte den Laden von einer Szenekneipe zum gutbürgerlichen Restaurant und genießt das nachbarschaftliche Verhältnis zu ihren Gästen.

Veränderungen im Kiez

„Mit dem Alter des Ladens wachsen auch die Gäste mit. Man wird zusammen alt. Dennoch schafft der Laden, was wenigen Kneipen gelingt: Das Publikum hier ist unglaublich gemischt. Hier werden 18. Geburtstage ebenso gefeiert wie 87. Geburtstage, viele Nachbarn kommen, aber auch Touristen. Arbeiter trinken hier ebenso ihr Bier wie Richter ihren Weißwein.“

Sie lebt – mit Unterbrechungen – seit langem in Moabit, ihre mittlerweile erwachsenen Kinder sind beide hier zu Schule gegangen. „Es gab früher wenig Wechsel in der Nachbarschaft. Man ist hier eingezogen und geblieben. Heute bemerke ich schon eine Veränderung der Mieterstruktur. Immer mehr Ferienwohnungen und Hotels entstehen hier. Moabit birgt noch eine Menge Potential in sich: Es kommt immer mehr Kaufkraft hierher, immer mehr gute gastronomische Betriebe machen auf, hinzu kommt die Nähe zum Wasser, das macht die Lage für viele attraktiv.“ Für ihr Viertel wünscht sich Charlotte Ziems, dass es trotz dieser Veränderungen nachbarschaftlich und bunt gemischt bleibt.

Text: Nathalie Dimmer, Foto: Nina Mallmann

Zuerst erschienen in „ecke turmstraße„, Nr. 8 – november 2012

„Dicker Engel“,  Birkenstr. 44, 10551 Berlin, Tel. 39809003, www.dicker-engel-berlin.de

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