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20 Jahre Wulle

Sportzentrum feierte eine ganze Woche

Am 1. September 1986 nahm das Turn- und Freizeitzentrum des TSV GutsMuths 1861 e.V. an der Wullenweberstraße seinen Betrieb auf. Hier ist es einem Turn- und Sportverein gelungen seinem traditionellen Angebot in Turnen, Leichtathletik, Handball, Badminton, Schwimmen, Volleyball und Judo vielfältige weitere Aktivitäten im Breiten- und Freizeitsport für alle Altersgruppen hinzuzufügen. Es gibt über 50 Kurse, die für alle offen sind nicht nur für Vereinsmitglieder.

Zur Festwoche Anfang September hatte der Verein eine kleine Ausstellung erarbeitet, die die Entwicklung dieses Ortes in Moabit nachzeichnet. Auf alten Landkarten von 1765 und auch noch 1850 wird das Gelände Judenwiese genannt. Eine Erklärung dazu liefert die Moabiter Chronik von 1760, die von der „Wulff’schen Bleiche“ auf der Judenwiese berichtet. Herr Wulff, ein sogenannter „Schutzjude“, erhielt das Privileg hier eine Reinigungsanstalt betreiben zu dürfen. In der Straßenkarte von 1862 ist das Gelände schon parzelliert und wird später bis auf einen kleinen Streifen an der Spree bebaut.

Künstler gegen Bürokraten
Als nach dem Zweiten Weltkrieg die Häuser in Schutt und Asche lagen und an der Wullenweberstraße Nissenhütten als Notunterkünfte standen, wurde auf dem Gelände ein öffentlicher Sportplatz angelegt. Der Bevölkerung sportliche Freizeitbetätigung zu ermöglichen, hatte in der Nachkriegszeit einen hohen Stellenwert, wie auch die Bemühungen um die schnelle Reparatur des Poststadions mit Schwimmbad belegen. Die selbstbewußte Aufbruchsstimmung lässt sich prima an einer Einladung zum Sportfest auf der Wullenweberwiese am 22. Mai 1954 erkennen, die die Heimatsammlung Freud aus dem Hansaviertel für die Ausstellung zur Verfügung gestellt hatte. Als Höhepunkt wurde ein Fußballspiel des 1. FC Mimik unter anderem mit Wolfgang Neuß gegen die Mannschaft des Bezirksamts angekündigt – „Künstler gegen Bürokraten“. Bubi Scholz fungierte als Linienrichter und die Kabarettistin und Filmschauspielerin Ursula Herking pfiff das Spiel an.

Neubau vor 20 Jahren
Am Rand der bestehenden Sportfläche errichtete Architekt Manfred Hantke die dreifach teilbare Sporthalle, einen multifunktionalen Bereich mit 350 Quadratmeter Fäche, Geräte- und Trainerräume, Jugendräume, Gastronomie, zwei Kegelbahnen und eine Saunaanlage in nur achtmonatiger Bauzeit. Zum Richtfest am 25. Oktober 1985 war die damalige Senatorin Hanna-Renata Laurin als Rednerin zugegen, zur 20-Jahr-Feier musste sie aus gesundheitlichen Gründen leider absagen. Bis zur Eröffnung im September 1986 wurden dann die Außenanlagen saniert. Vorausgegangen war eine wechselvolle elfjährige Planungs- und Planänderungsphase – ursprünglich sollte ein noch viel größeres und mehr als dreimal so teures Sportzentrum mit Schwimmhalle und Sport-Kindertagesstätte errichtet werden – begleitet von Protesten einer Bürgerinitiative. Diese befürchtete überfahren zu werden vom Verkehr der aus ganz Berlin herbeiströmenden Sportler und monierte die „Millionen, die nur für das Vergnügen eines Sportvereins augegeben werden, während Geld für Kitas und Krankenhäuser fehlt“.

Breiten- und Freizeitsport
Nur zwei öffentliche Sportzentren wie dieses gibt es in Berlin: in Moabit und in Siemensstadt. In der Hochphase des Westberliner Subventionsdenkens sollte eigentlich in jedem Bezirk ein solches Zentrum entstehen, das Breiten- und Freizeitsport unter der Regie eines Turnvereins verbindet. Dass dieses Ziel dem TSV GutsMuths meisterhaft gelungen ist, zeigen die vielen Kurse von Seniorengymnastik über Taekwon-Do oder tänzerischer Gymanstik bis zum Eltern-Kind-Turnen um nur ein paar Beispiele herauszugreifen. Über 2.300 Mitglieder zählt der Verein. Dazu kommen etwa 350 ständige Kursteilnehmer ohne feste Vereinsmitgliedschaft. Bei der Festveranstaltung hob der Vorsitzende Gunter Hochgräber besonders den integrativen Familiensport für Behinderte und Nichtbehinderte hervor, der regelmäßig samstagsvomittags stattfindet. Eine gute Zusammenarbeit gibt es auch mit den Schulen der Umgebung, die den Sportplatz für Leichtathletik nutzen und zeitweise auch die Halle. Hochgräber erkannte an, dass die Angebote für die nicht vereinsgebundene Bevölkerung immer noch recht gut durch den Senat gefördert werden: „heutzutage sehen sich ja viele Bürger oft von den Politikern getäuscht, der Verein hatte nie einen Grund sich getäuscht zu fühlen und ich hoffe, dass das so bleibt.“ Sportstadträtin Dagmar Hänisch bekannte: „ich bin hier heute zum ersten Mal, denn dieser Verein arbeitet so selbstständig, so ruhig und ohne Probleme, dass ich bisher hier nicht benötigt wurde.“ Ja auch mal erfreulich, wenn politisch Verantwortliche nur noch zum Feiern kommen müssen, weil alles so reibungslos funktioniert. Ins Auge fällt, dass mit der Anlage sehr pfleglich umgegangen wurde, so dass sie nach 20 Jarhen noch fast wie neu wirkt auch ohne teure Renovierungsarbeiten. Die Investion scheint sich gelohnt zu haben.

Kontakt: TSV GutsMuths 1861 e.V., Wullenweberstraße 15, 10555 Berlin, Tel.: 393 2440, Fax: 392 7867, www.tsvgutsmuths-berlin.de

zuerst erschienen in stadt.plan.moabit, Nr. 43, Oktober 2006

Zum 150. Vereinsjubiläum ist 2011 eine Festschrift erschienen.

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