So können Sie mitmachen!

Nicole Baneck über das interkulturelle Moabit

nicole-baneck2-250Nicole Baneck ist 23 Jahre alt (das war 2007), in Moabit aufgewachsen und studiert zur Zeit im 6. Semester Politologie an der Universität Potsdam. Ihre erste eigene Wohnung liegt zwar im Sprengelkiez im Wedding, doch am liebsten würde sie wieder nach Moabit ziehen, ihren Berliner Lieblingsstadtteil. Nicole hat zusammen mit ihrer Mutter Titi Beneck im vergangenen Jahr ein Projekt zum gegenseitigen Kennenlernen von Familien verschiedener Herkunft im Stephankiez im Rahmen der 100.000 Euro-Projekte organisiert – „Kennst Du Deinen Nachbarn?“. Das Gespräch führte Susanne Torka.

Du bist in Moabit aufgewachen und in den Kindergarten gegangen. Hast Du Dich wohlgefühlt und haben Deine Erzieherinnen Dich verstanden?

Ich habe mich als Kind in Moabit wohlgefühlt, obwohl ich immer das einzige schwarze Kind im Kindergarten war und dann – ich bin versucht zu sagen natürlich – auch gehänselt wurde. Meine Erzieherinnen haben mich dann getröstet und oft gesagt, das meinen die doch nicht böse, wenn sie Negerkuss sagen oder so was. Doch haben sie mir damit auch zu verstehen gegeben, dass sie meine Erfahrung der Diskriminierung nicht verstehen und dem hat man als kleines Kind wenig entgegenzusetzen. Am liebsten würde ich entweder in Moabit oder in Kreuzberg wohnen.

Besonders in den Medien wird so viel über Parallelgesellschaften geredet. Wie beurteilst Du das Zusammenleben der Menschen in Moabit im allgemeinen?

Meine Familie lebt nicht in einer Parallelgesellschaft. Ich bin auf eine deutsch-französische Schule gegangen, da war es ganz normal, dass viele Kinder aus französisch-sprechenden Ländern kommen oder eins ihrer Elternteile. Es gab viele Diplomaten und Beamten, aber ich konnte überall mitmachen auch Sprachreisen. Meine Eltern konnten mir bei den Hausaufgaben helfen oder Nachhilfeunterricht geben, auch wenn wir nicht so viel Geld hatten. Wenn den Eltern Bildung wichtig ist, kann man lernen, Bücher aus der Bibliothek holen. Was man heute im Fernsehen sieht, ist ganz anders. Solche Erfahrungen habe ich nicht gemacht.

nicole-baneck4-250Ich glaube Verständnis für Nachbarn nichtdeutscher Herkunft ist auch generationsabhängig. Als ich in Moabit gearbeitet habe, kamen von den Abteilungsleiterinnen oft ausländerfeindliche Bemerkungen über Kunden. Aber mit Menschen meiner Generation verstehe ich mich meistens gut. Man wächst gemeinsam auf, bemerkt Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen den Herkunftsländern. Was mich am meisten nervt, ist wenn die Leute ständig fragen „Wo kommst Du her?“ Und das mit den Vorurteilen ist auch nicht nur in Moabit so. Ich arbeite als Hostess am Kudamm und auch dort meinte ein ignoranter Abteilungsleiter, „aber Du bist doch keine richtige Deutsche“, weil ihm immer noch nicht klar ist, dass es auch schwarze Deutsche gibt.

Hast Du einen Projektvorschlag für den Stehpankiez und BürSte um das gegenseitige Verständnis von Menschen verschiedener Kulturen zu verbessern?

Solche Sonderprojekte wie unseres im Stephankiez finde ich gut. Aber es ist schwierig, Leute zum mitmachen zu bewegen. Am besten wären Workshops und Projekttage in Schulen, in denen sich alle Schülerinnen und Schüler intensiv mit multikulturellem Zusammenleben beschäftigen. Wichtig sind offene ehrliche Diskussionsgruppen, in denen jede/r eigene Erfahrungen einbringen kann und diese auch ernst genommen werden.

Zuerst erschienen in der Erstausgabe von LiesSte, Zeitung für den Stephankiez, September 2007

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