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Verborgene Fähigkeiten zum Vorschein bringen

In den Waldenser Höfen begeistert die „Kiezküche“ seit 25 Jahren mit hochwertigen Speisen zum moderaten Preis. Zugleich eröffnet das Ausbildungsrestaurant besonders benachteiligten Jugendlichen eine berufliche Zukunftsperspektive.

kiezkueche_CE-250Noch ist es ruhig in der Kiezküche der Waldenser Höfe. Die Belegschaft der Hauswirtschaft sitzt am Frühstückstisch, während der Service bereits die ersten Tische für das Mittagsgeschäft eindeckt. Jeder Tisch ist mit individuell gefalteten Papierservietten geschmückt, akkurat wird das Besteck arrangiert. Im vorderen Restaurantbereich erhält man über eine große Glasscheibe Einblicke in die Küche. In großen Töpfen köcheln Brühen und Fonds vor sich hin. Einige Auszubildende schnippeln bereits an den Vorbereitungen für leckere Mittagsgerichte. In Kürze wird sich der Laden füllen, denn seit vielen Jahren ist die Kiezküche für die Gastrophilen der Nachbarschaft ein Geheimtipp. Wochentags gibt es hier zwischen 11.30 Uhr und 14 Uhr ein täglich wechselndes Menü-Angebot.

Die „Kiezküchen GmbH“ ist eine Tochtergesellschaft des gemeinnützigen „Bildungsmarkt e.V.“ . An mehreren Standorten in ganz Berlin begeistert das Konzept seit vielen Jahren. Regionale und saisonale Speisen von hervorragender Qualität werden angeboten – und gleichzeitig Ausbildungsperspektiven für Jugendliche und Erwachsene geschaffen, die auf dem ersten Arbeitsmarkt bislang kaum eine Chance hatten. Hier erhalten sie die Möglichkeit, sich in den Bereichen Gastronomie und Hauswirtschaft zu qualifizieren.

1989 eröffnete auf dem ehemaligen Bahnhof des großen Berliner Pferdebahnhofs, dem denkmalgeschützten Backsteinbau in der Waldenserstraße, eines der ersten Ausbildungsrestaurants. Aktuell werden an diesem Standort 64 junge Menschen ausgebildet bzw. umgeschult.

In der hauseigenen Waschküche im Erdgeschoss ist es heiß und ein wenig stickig. Die Mitarbeiter des Bereichs Hauswirtschaft waschen und bügeln hier für den täglichen Restaurantbetrieb. An einer Muldenmangel sitzt eine junge Auszubildende. Sie erklärt ein wenig schüchtern, dass es ganz schön schwierig sei, Kochjacken akkurat zu bügeln – wegen des Kragens und der Knopfleiste.

„Wie bei den meisten Bildungsträgern kommen die jungen Leute über das Jobcenter zu uns. Es sind meist benachteiligte Menschen mit körperlichen oder geistigen Einschränkungen, die keinen Ausbildungsplatz bekamen“, sagt Beate Naumann, Koordinatorin für Hauswirtschaft. „In den meisten Fällen müssen wir bei den Grundvoraussetzungen anfangen: Ehrlichkeit, Pünktlichkeit und Verantwortungsbewusstsein.“

In der Küche geht es mittlerweile hektisch zu. 60-70 Essen werden zur Mittagszeit herausgegeben. Das erfordert effektive Koordination und Menschen, die Hand in Hand zusammen arbeiten. „In der Küche muss man als Team funktionieren, so ähnlich wie im Mannschaftssport“, sagt André Weishaupt. Er ist Souschef in der Küche und in seiner Freizeit Fußballtrainer. „Das ist eine ziemliche Herausforderung, denn viele Auszubildende erleben zum ersten Mal in ihrem Leben, dass sie Teil einer Mannschaft sind, die nur gewinnen kann, wenn alle an einem Strang ziehen. Das bedeutet auch, dass der eine Posten, wenn er mit den Vorbereitungen fertig ist, die Seite wechselt und dem anderen Posten zur Hilfe geht. Im Fußball nennen wir das „Spielverschiebung“. Damit die jungen Menschen das verinnerlichen, müssen wir sie erst in ihrem Selbstwertgefühl stärken. Sie sind oft sehr emotional und ertragen wenig Kritik.“

Gemeinsame Ausflüge und internationale Austauschprogramme, insbesondere jedoch die hoch motivierten Ausbilder tragen dazu bei, dass Menschen, an die vorher niemand glaubte, gestärkt werden, dass sie ihren Horizont erweitern und hoffentlich am Ende ihrer Ausbildung einen festen Arbeitsplatz finden.

„Hier erleben diese Menschen oft zum ersten Mal, dass sich jemand um sie kümmert und um sie sorgt“, sagt Beate Naumann. „Die Fähigkeiten dieser Menschen sind oft vergraben und verschüttet. Wir versuchen, sie zum Vorschein zu bringen.“

Text: Nathalie Dimmer, Bild: Christoph Eckelt, bildmitte

Kiezküchen, Waldenserstraße 2-4, Tel. 030/39 73 91 35
Öffnungszeiten: Mo.-Fr. 11:30-14 Uhr

Zuerst erschienen in der ecke turmstraße, Nr. 3, Mai 2014.

3 Kommentare auf "Verborgene Fähigkeiten zum Vorschein bringen"

  1. 1
    K. S. says:

    Wäre schön, wenn man das (soweit ich mich erinnere, täglich wechselne) Angebot irgendwo im WeltWeitNetz einsehen könnte.

  2. 2
    Jürgen says:

    Auf der Website zur Kiezküche Waldenser steht folgende Möglichkeit, das Angebot vorab zu erfahren:

    Speiseplan wöchentlich per E-Mail?
    Eine kurze E-Mail an kk-waldenser@bildungsmarkt.de genügt.

  3. 3
    K. S. says:

    Danke. Aber ein PDF-Download bei Bedarf wäre mir eigentlich lieber als (noch) ein regelmäßiger Newsletter. Gilt übrigens auch für die Kantine des SOS-Kinderdorfes.

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