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Nessi tauchte auf …

Foto: Schon ausgebaut

Schon ausgebaut

… aber nicht im Loch Ness, sondern in unserem Charlotten­burger Ver­bin­dungs­kanal. Es kamen ja schon Fragen, „was die da am Neuen Ufer bauen würden“. Nun, „die“ bauen nicht, sie bauen zurück, wie das Abreissen heute genannt wird. Und zwar einen Gasdüker. Das ist ein Rohr, das z. B. unter einen Kanal hindurchführt. So befindet sich an der Hansabrücke ein Düker für die Entwässerung des Hansaviertels, oberirdisch nur an den länglichen und vergitterten Einstiegs­schäch­ten erkennbar. Und die Panke führt als Düker nicht etwa nur unter der Chausseestraße hindurch (da täte auch eine Brücke gute Dienste), sondern unter der sich unter der Chausseestraße befindenden U-Bahn-Linie 6. Nördlich und südlich der Sickingenbrücke verlaufen nun also zwei Gasdüker. Warum? Das Gaswerk beiderseits des Kanals war das Charlottenburger Gaswerk II der bis 1920 unabhängigen Stadt Charlottenburg und wurde zwischen 1889 und 1891 erbaut und mehrfach erweitert. Dieses belieferte natürlich auch den Charlottenburger Stadtteil Martinickenfelde östlich des Kanals. Erst seit 1938 gehörte dieser Teil der Moabiter Insel zum Stadtbezirk Tiergarten.

Foto: Nessi taucht auf

Nessi taucht auf

Die alte Grenze lässt sich auch heute noch erkennen: Am Wechsel der Straßennamen von Alt-Moabit in Tiergarten zur Kaiserin-Augusta-Allee in Charlottenburg an der Beusselstraße. An der anderen Art der Schulhausarchitektur (Neues Ufer). An einem Hydrantendeckel an der Erasmusstraße (Aufschrift: „Charlottenburger Wasser­werke“). Und daran, dass wenn der Strom auf der westlichen (Charlottenburger) Seite der Beusselstraße (ab Hausnummer 77) ausfällt, er auf der östlichen (Berliner) Seite noch da ist. Nur das Abwasser „entwässert nach Berlin“, wie es in alten Unterlagen heißt, denn das nächste Pumpwerk stand (und steht noch heute in allerdings moderner Form) nun einmal an der Ecke Alt-Moabit / Gotzkowskystraße.

Zurück zum Gasdüker. Er wurde wie sein „Kollege“ weiter nördlich mit der Schließung des Gaswerks Charlottenburg und der Umstrukturierung des Gas-Netzes seit der Umstellung auf das energiereichere Erdgas überflüssig und wird nun entfernt. Die Vorarbeiten waren schon zu beobachten und warfen Fragen auf. Da wurden Stahlspundwände gerammt und ihre hölzernen Vorgänger aus der Uferbefestigung entfernt.

Foto: Nessis Taufe

Nessis Taufe

Da lagen auf einmal merkwürdige geformte und erdverkrustete eiserne Teile auf den Prähmen. Da fanden sich immer mehr schwimmende Baufahrzeuge auf dem Wasser ein. Am siebten September wurde dann der Kanal für den Schifffahrtsverkehr gesperrt und mit dem Ausbaggern angefangen. Einen Tag später war es dann soweit: Der unter Wasser freigelegte und mit Wasser gefüllte Düker, ein großes Stahlrohr, wurde – an zwei Kränen hängend – gehoben, in dem das Wasser kontrolliert abgepumpt wurde und das jetzt luftgefüllte Rohr aufschwamm. Natürlich klappt so etwas nie reibungslos, denn so ein altes Rohr aus dem Jahre 1906 hakt mal hier und klemmt mal da.

Foto: Nessi am Prahm

Nessi am Prahm

Gegen Abend war es dann aber soweit: Das schwimmende Rohr wurde zünftig mit einer Flasche Sekt auf den Namen „Nessi“ getauft, denn es wird als Quasi-Schiff, angebunden an einen Prahm, seine einzige und zugleich letzte Fahrt zur Verschrottung antreten. Das ist günstiger als es vor Ort zu zerlegen. Die Arbeit am Kanal geht danach weiter, denn das ausgebaggerte Erdreich muss wieder eingebracht, die stählernen Spundbohlen müssen wieder gezogen und die Uferbefestigung wiederhergestellt werden. Teile der Uferbefestigung nördlich der Sickingenbrücke müssen dringend saniert werden, denn im Bereich des ehemaligen Schiffsanlegers des stillgelegten Gaswerkes ist diese Uferbefestigung wegen Einsturzgefahr schon abgesperrt (Ausführliches zur Bauweise der Uferbefestigungen im Artikel zum Wikingerufer). Und schließlich: Der „Kollege“ nördlich der Brücke muss auch noch gehoben werden, wer „Teil I“ verpasst haben sollte, hat also die Möglichkeit, „Teil II“ noch zu erleben.

Schemazeichnung Gasdüker

Gasdüker

GastAutor: Andreas Szagun

2 Kommentare auf "Nessi tauchte auf …"

  1. 1
    Moabiter says:

    Lieber Andreas,

    vielen Dank für den hochinteressanten Artikel! Was es alles so braucht(e), damit unsere Stadt so funktioniert, wie wir uns das wünschen! Wie sich längst vergangenene Bezirksgrenzen heute noch bemerkbar machen!
    Und wieviel Ingenieurskunst vor über hundert Jahren wohl nötig war, um dieses Monstrum unter dem Kanal zu verlegen? Oder das wir heute solch einen Aufwand betreiben, es wieder auszubauen (statt es einfach liegen zu lassen) – ich komme aus dem Staunen nicht mehr heraus …

  2. 2
    Andreas Szagun says:

    Vielen Dank! Liegenlassen ist nicht so problemlos, wie es scheinen mag, denn Leitungsbetreiber sind m. W. gehalten, ihre stillgelegten Leitungen wieder herauszunehmen, falls zu erwarten wäre, daß sie später einmal stören sollten. Und das könnte angesichts der Ro-Ro-Rampe und einer evtl. tieferen Ausbaggerung des Kanals (um größere Turbinen befördern zu können) durchaus möglich sein.
    Liegenlassen bedeutet nämlich immer auch eine „besondere Freude“ für Tiefbau-„Archäologen“, denn oft genug stößt man auf nirgendwo dokumentierte Leitungen, die zum Teil aber noch irgendwo angeschlossen sind (und dann hilft meist nur noch absperren und abwarten, ob sich jemand beschwert, weil er keinen Strom mehr hat oder plötzlich das Klo überläuft). Und nicht zuletzt hält so ein Rohr auch nicht ewig, obwohl es den Bildern nach einen sehr guten Korrosionsschutz bekommen haben muß (das war noch Wertarbeit, selbst die drei Flansche haben den Biegebeanspruchungen beim Ausheben standgehalten). Wenn so ein Monstrum aber anfängt, zusammenzubrechen, dann sackt das Ufer nach, spätestens dann wird man „ranmüssen“.

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