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Auch der Berliner Milchkrieg spielte in Moabit

Milch und Butter wird teurer, Bauernproteste in Deutschland für einen gerechten Milchpreis, … Ernährungskrisen in vielen Ländern, das Getreide der Armen in den Tanks der Reichen, … Niedriglöhne, Wegwerfartikel, Überproduktion, weltweite Konkurrenz und die Frage, für wen es eigentlich sinnvoll ist, billig und in Massen zu produzieren mit weltweiten Transportwegen. Es ist nicht ganz einfach zu durchschauen, wie die globalisierte Wirtschaft funktioniert, … doch eigentlich ist das alles nicht neu.

Der Berliner Milchkrieg spielte vor etwa 100 Jahren. Als Folge der Industrialisierung waren viele Städte bevölkerungsmäßig explodiert und für die Versorgung der Menschen war das Lebensmittel Milch zunehmend wichtig geworden. In Berlin hatte sich im Jahr 1900 ein Preiskartell von vielen Milchlieferanten gegründet, die „Zentrale für Milchverwertung“. Es ging um den Abgabepreis für Milch, der bisher überall in der Stadt unterschiedlich gewesen war. Dem Zusammenschluss gelang es den Preis von 11 auf 13,5 Pfennig anzuheben. Doch ein Moabiter Unternehmer, Carl Bolle, wollte diese Preise nicht zahlen. Er war 1887 mit seiner Meierei in die Straße Alt-Moabit 98-103 gezogen und zur größten Molkerei Berlins aufgestiegen. Seine innovative Geschäftsidee, mit Pferdewagen auf vorgegebenen Routen immer zur gleichen Zeit, die Milch auszuliefern, hatte ihm diesen Erfolg gebracht. In Moabit hat er mit 100 Wagen angefangen, die 40.000 Liter Milch verkaufen konnten. Bolle hat dafür gesorgt, dass die Milch bakteriologisch untersucht wurde und sich für Lebensmittelhygiene stark gemacht. Er verlangte eiserne Disziplin von seinen Kutschern, Milch-Jungen und Milch-Mädchen. Als Patriarch kümmerte er sich auch um soziale Probleme seiner Arbeiter und und nicht nur das, auch um die religiösen. Er baute eine Kirche in seinem Unternehmen, später ein Kino und dann ein Theater. Jetzt steht es leer, an der Straße Alt-Moabit am Eingang des Spreebogens. Aber zurück zum Berliner Milchkrieg: wie gesagt, Bolle wolle den Preis nicht zahlen, er trennte sich von seinen Milchlieferanten, holte die Milch mit der Bahn aus Dänemark, Polen und Böhmen. Trotz Verlusten hielt er seine Strategie bis 1905 durch. Die Konkurrenten entfachten Verleumdungs- und Pressekampagnen, klauten sich die Milchkannen und schütteten sich die Milch gegenseitig aus.

Wer wissen möchte, wie der Berliner Milchkrieg ausging und welche Auswirkungen die damalige Globalisierung der Milchimporte hervorgerufen hat, der sollte den Artikel von Joachim Schulz in der neuen LiesSte von Juni 2008 lesen. Und wer sich für weitere Details der Unternehmensgeschichte und die Arbeitsbedingungen der Bolle-Jungen interessiert, findet hier den richtigen Lesestoff.

Nachträge zu Bolle und dem Bolle-Gelände Alt-Moabit unter diesem MoabitOnline-Artikel.

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