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Pläne für die ehemalige Schultheiss-Brauerei

Wir dokumentieren drei Artikel, die bei stadt.plan.moabit bzw. stadt.plan.mitte erschienen sind (da wir nachträglich nichts ändern möchten, sind leider einige Wiederholungen unvermeidlich):

Titeltext – Sudhaus

Jeder Stadtteil hat seine Brauerei. Und obwohl heute bestimmt nicht weniger Bier getrunken wird als früher, wird in den wenigsten Brauereien noch Bier gebraut. Das flüssige Brot, von der EU als Grundnahrungsmittel der Deutschen anerkannt, wird fast nur noch in großen und leider auch unansehnlichen Industrieanlagen an den Rändern der Stadt gebraut. Früher war das anders. Früher haben die Baumeister Brauereien als markante, das Straßenbild prägende Bauwerke entworfen, vorzugsweise aus rotem oder gelbem Backstein. Mit Giebeln, Türmchen und Zinnen haben sie geradezu eine Ähnlichkeit mit wehrhaften Burgen oder Schlössern. Das alte Sudhaus an der Stromstraße ist deshalb besonders dominant, weil es vom Eckgrundstück an der Turmstraße nicht verdeckt wird. Dort stehen nur flache Behelfsbauten aus der Nachkriegszeit. Für dieses mehr oder weniger brach liegende Grundstück soll jetzt eine Nutzung entwickelt werden, eine die auch die Turmstraße beleben könnte, und was könnte das anderes sein als Einkaufsmöglichkeiten. Es wird spannend, wie das alte denkmalgeschützte Sudhaus mit seinen vielen Nebenbauten in die neuen Pläne integriert wird. Mehr dazu auf Seite 4. Text: Burkhard Meise

Denkmalschutz setzt sich durch
Pläne für das Schultheissgelände müssen geändert werden

Das Projekt ist im Bezirk von Anfang an umstritten gewesen. Die HLG Projektmanagement aus Münster hat – oder muss man schon sagen hatte – sehr Großes vor auf dem Gelände der ehemaligen Schultheissbrauerei an der Turmstraße. Ein Neubau an der Turmstraße soll C & A beherbergen, an der Perleberger Straße ist ein Supermarktneubau für Kaufland vorgesehen und dazwischen als Verbindung eine überdachte Mall mit Dachgarten, 1.000 Autostellplätzen, Gastronomie, Freizeiteinrichtungen und was man sich noch alles so vorstellen kann: insgesamt 20.000 Quadratmeter Verkaufsfläche.

Seit der Pleite der Franke Immobiliengesellschaft ist ein Insolvenzverwalter für das Gelände verantwortlich. Der ließ erklären „kleiner geht es nicht, weil es sich nicht rechnet“. Verschiedene Bezirkspolitiker – so auch der ehemalige Bürgermeister und jetzige Wirtschaftsstadtrat Joachim Zeller – unterstützen das Projekt von Anfang an. Sie versprechen sich davon eine Belebung und positive Ausstrahlung für die Turmstraße. Die ehemalige Baustadträtin Dorothee Dubrau beschloss noch kurz vor dem Ende ihrer Amtszeit im Oktober 2006 die Aufstellung eines Bebauungsplanes.

Die Schultheissbrauerei steht seit 1995 unter Denkmalschutz. Nicht nur das imposante Backsteingebäude mit seinen Erkern, Türmchen und Zinnen, sondern auch die Nebengebäude, frühere Stallungen, Schornstein, Garagen, Keller und Freiflächen. Das Landesdenkmalamt hat erklärt, wie wichtig der Erhalt der alten Brauerei als vollständiges Ensemble ist. Nach den Plänen des Investors würden weit mehr als die Hälfte der denkmalgeschützten Gebäude abgerissen. Die Brauerei wurde seit 1841 immer wieder aus- und umgebaut. Das älteste noch erhaltene Gebäude ist das Sudhaus mit den nördlich anschließenden Kellereien. Es entstand 1872-74. Das Gärhaus ist von 1895/96 und das Mälzereigebäude von 1898. Aus diesem Jahr stammt auch die damals neu gestaltete Fassade des Sudhauses. 1926 wurde das Kesselhaus umgebaut. Bis 1987 wurde hier noch Bier gebraut, zwei Jahre später der Standort aufgegeben. Zur Zeit nutzen viele kleine und größere Händler, Dienstleister und Freizeiteinrichtungen das Gelände, bei der Sport-Oase kann man zum Beispiel Squash oder Badminton spielen, bei Gotha Tapeten oder Teppichboden kaufen. KFZ-Werkstätten, asiatische Lebensmittel, eine Moschee ergänzen die Mischung.

Nach Gesprächen mit dem Investor entschied der neue Baustadtrat Ephraim Gothe, dass die vorgelegten Pläne im Sinne des Denkmalschutzes grundlegend überarbeitet werden müssen. Die Autostellplätze werden auf 500 bis 700 begrenzt, ein Verkehrsgutachten ist ebenso gefordert wie ein Architekturwettbewerb. Bisher ist noch keine Reaktion des Investors auf diese Forderungen bekannt.

Text: Susanne Torka, zuerst erschienen in stadt.plan.moabit, Nr. 46, Februar 2007

Blockade auf dem Schultheissgelände
Denkmalschutz und Investoreninteressen nicht miteinander vereinbar

Neue Einkaufszentren sind in den vergangenen Jahren wie Pilze aus dem Boden geschossen. Auch auf dem Gelände der alten Schultheissbrauerei an der Turmstraße in Moabit möchte die HLG Projektmanagement aus Münster 20.000 Quadratmeter Einzelhandesverkaufsfläche bauen unter Nutzung eines Teils der denkmalgeschützten Brauereigebäude. In einen Neubau an der Turmstraße soll C&A einziehen, an der Perlebergerstraße will Kaufland eine neue Filiale bestücken und dazwischen Gastronomie, Freizeiteinrichtungen, Parkhaus und was eine überdachte Mall noch so alles braucht. Das Projekt war im Bezirk von Anfang an umstritten. Viele erhoffen sich von ihm eine Belebung der Turmstraße als Einkaufsstraße, während andere genau das Gegenteil befürchten. Im Zentrenplan für Einzelhandel der Senatsverwaltung ist die Turmstraße als Zentrum für Einzelhandel vorgesehen.

Die Schultheissbrauerei steht seit 1995 unter Denkmalschutz. Nicht nur das imposante Backsteingebäude mit seinen Erkern, Türmchen und Zinnen, sondern auch die Nebengebäude, frühere Stallungen, Schornstein, Garagen, Keller und Freiflächen. Das Landesdenkmalamt hat erklärt, wie wichtig der Erhalt der alten Brauerei als vollständiges Ensemble ist. Nach den ursprünglichen Plänen des Investors würden weit mehr als die Hälfte der denkmalgeschützten Gebäude abgerissen. Die Brauerei wurde seit 1841 immer wieder aus- und umgebaut. Das älteste noch erhaltene Gebäude ist das Sudhaus mit den nördlich anschließenden Kellereien. Es entstand 1872-74. Das Gärhaus ist von 1895/96 und das Mälzereigebäude von 1898. Aus diesem Jahr stammt auch die damals neu gestaltete Fassade des Sudhauses. 1926 wurde das Kesselhaus umgebaut. Bis 1987 wurde hier noch Bier gebraut, zwei Jahre später der Standort aufgegeben. Zur Zeit nutzen viele kleine und größere Händler, Dienstleister und Freizeiteinrichtungen das Gelände, bei der Sport-Oase kann man zum Beispiel Squash oder Badminton spielen, bei Gotha Tapeten oder Teppichboden kaufen. KFZ-Werkstätten, asiatische Lebensmittel, eine Moschee ergänzen die Mischung.

Vor etwa einem halben Jahr entschied Ephraim Gothe, Mittes Stadtrat für Stadtentwicklung, dass die Pläne aus Denkmalschutzgründen überarbeitet werden müssen. Im Juni hat der Investor nun eine modifizierte Planung vorgelegt. Die Einfahrt zum Parkhaus ist jetzt nicht mehr von der Turmstraße sondern von der Perleberger Straße aus, die Anlieferung wurde unter die Erde gelegt. Dennoch würden alle Nebengebäude dem Abriss zum Opfer fallen. Im Ausschuss für Stadtentwicklung der BVV Mitte hat Gothe außerdem das Gutachten von Frau Professor Kahlfeldt vorgestellt. Die Gutachterin sollte Vorschläge erarbeiten, bei denen mehr denkmalgschützte Bausubstanz erhalten wird und dennoch die Interessen der Investoren gewahrt würden. Es wäre möglich entweder ein Gebäude im hinteren Bereich an der Perleberger Straße zu erhalten oder die Halle, die neben dem Backsteinbau steht. Dafür müssten jedoch zwei Parkgaragen gebaut werden, was der Investor ablehnt. Auch ein Gespräch mit IHK, Einzelhandelsverband, oberer und unterer Denkmalschutzbehörde, Investor und Stadtrat hat zu keinem für alle Beteiligten akzeptierbaren Ergebnis geführt.

Gothe wünscht sich eine andere Nutzerstruktur, wenn nicht Kaufland sondern kleinere und mehr an Freizeitnutzung gewonnen werden könne, dann könne mehr von den kleinteiligen Nebengebäuden erhalten werden. Doch der Investor will Kaufland als sogenannten Ankermieter halten. „Kaufland passt ideal zur Sozialstruktur der Umgebung“, erklärte Reinhard Müller im Ausschuss. Außerdem verstehe er nicht, weshalb die Nebengebäude, die sich zum Teil in sehr schlechtem Zustand befänden, erhaltenswert seien. Die imposanten Backsteingebäude sollen ja erhalten werden, zumindest die Fassaden, denn sie sollen zu einem erheblichen Teil als Parkhaus genutzt werden. „Wir erhalten 78% der Kubatur“, lobte er sich. Und das wurde denn auch schon fälschlich als 78% der denkmalgeschützten Gebäude interpretiert, es ist jedoch 78% des umbauten Volumens. Klar, denn die Backsteingebäude haben mehrere Stockwerke, während die Nebengebäude ein- bis zweistöckig sind.

So liegt zur Zeit der Bebauungsplan auf Eis, den Dorothee Dubrau noch kurz vor dem Ende ihrer Amtszeit im Oktober 2006 aufstellen ließ. Ende August – nach Redaktionsschluss – hat die BVV beim Ausschuss für Stadtentwicklung einen Termin zur Begehung des Geländes vereinbart.

Text: Susanne Torka, erschienen in stadt.plan.moabit, Nr. 52, September 2007

Investoren am längeren Hebel?
Moabiter Schultheiss-Brauerei: Denkmalschutz und Renditeerwartungen

Zuletzt hatte dieses Blatt in seiner Moabit-Ausgabe von Februar 2007 über Pläne für das Schultheißgelände an der Strom-/Turmstraße berichtet- unter der Überschrift „Denkmalschutz setzt sich durch“. Im April 2008 lag der Bebauungsplan (B-Plan) mit der Nr. 1-43VE zur frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung aus. Der Begründungstext zum B-Plan ließ Zweifel aufkommen, ob das mit dem Denkmalschutz so noch gilt. Ende April im Rahmen einer Erörterungsveranstaltung im Rathaus Tiergarten wurden Pro und Contra des dort geplanten Einkaufszentrums gründlich debattiert.

Kurz zusammengefasst hier die Geschichte des Schultheissgeländes der letzten fast 200 Jahre im Überblick: Im noch ländlichen Neu-Moabit entsteht 1826 die erste Brauerei auf diesem Grundstück. 1835 übernimmt sie Ferdinand Schumann, ein Bruder des Porzellanfabrikanten aus Alt-Moabit. Die Brauerei wächst mit dem Stadtteil, Besitzer wechseln oft. Neben Porzellan und Maschinenbau prägt Lebensmittelproduktion die frühe Industrialisierung Moabits. Die schlossähnlichen Backsteinbauten mit Türmchen und Zinnen stammen von 1872. Sie werden gegen Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts immer wieder verändert und ergänzt. An der Turmstraße gab es einen großen Biergarten und Tanzsäle, später stand dort ein Ufa-Kino mit 1.700 Plätzen, im zweiten Weltkrieg zerstört. Bier gebraut wird bis etwa 1980. Danach übernimmt die Grundstücksgesellschaft Kurt Franke die Gebäude und baut um. Eine Mischung aus Gastronomie, Sport und Gewerbe entsteht und überlebt die Insolvenz der Firma Franke im Jahr 2004. Auf dem Gelände arbeiteten noch vor einigen Jahren 65 Gewerbebetriebe mit 500 Arbeitsplätzen. Erst 1995 ist das Ensemble wegen seiner „außergewöhnlichen architektonischen Qualität und seltener Geschlossenheit“ unter Denkmalsschutz gestellt worden.

Einkaufszentrum für die Turmstraße?
Das Tauziehen um Teilabriss, Umbau und Neubau dauert schon einige Jahre an. Die Entwicklungsgesellschaft HLG, die auch am Tempelhofer Hafen ein denkmalgeschütztes Gebäude zum Einkaufszentrum ausbaut, will an der Turm- und Stromstraße neu bauen mit einer geschlossenen Glasfassade, die ab dem zweiten Obergeschoss in der Stromstraße ein wenig zurückschwingt, damit das denkmalgeschützte Sudhaus nicht völlig verstellt ist. In zwei Ebenen soll hier C&A einziehen, in den Obergeschossen ein Ärztezentrum. Auch ein Elektronikmarkt ist angedacht. Die erhaltene Werkstraße im hinteren Bereich des Grundstücks soll vollständig mit Glas überdacht werden. Neue Galerien entlang der denkmalgeschützten Gebäude vermitteln den Eindruck einer Shopping Mall, an deren Ende der Neubau von Kaufland wartet. An der Perleberger Straße liegt die Einfahrt der Liefer-LKW mit Wendeschleife und die Auffahrtrampe in Form einer Spindel, die die motorisierte Kundschaft auf die Parkdecks bringt. Die etwa 600 Stellplätze – ursprünglich sollten es 1.000 werden – sollen teilweise in denkmalgeschützte Gebäude hinein gebaut und zwei Parkdecks sollen auf eine denkmalgeschützte Halle, die ursprünglich abgerissen werden sollte, oben drauf gesetzt werden. Insgesamt eine Geschossfläche von 87.000 m2, davon 22.000 m2 Parken und 20.000 m2,Verkaufsfläche. Maximal 20.000 m2 ,für Einkaufen sind mit Senat und Bezirk abgestimmt. Ephraim Gothe (SPD), Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung in Mitte, erhofft  sich von der Entwicklung des Standorts eine Wiederbelebung der Turmstraße als Einzelhandeszentrum. Dennoch gibt es bei der Eröterungsveranstaltung  auch hierzu Widerspruch aus dem Publikum: „Geht es nicht etwas kleiner!“ „Die gesamte Turmstraße hat gerade mal 21.000 m2 Verkaufsfläche inklusive Hertie!“ Kleinteilige Strukturen werden gewünscht, der Erhalt der Moabiter Mischung, eine Entwicklung unter Einbeziehung der jetzigen Gewerbemieter, von denen in den letzten Monaten schon einige die Kündigung erhalten haben.

Was steht in der Begründung zum B-Plan?
Den Beschluss zur Aufstellung des B-Plans hatte noch Dorothee Dubrau im Oktober 2006 kurz vor Ende ihrer Amtszeit auf den Weg gebracht und trotz der bald offenkundigen Konflikte mit dem Landesdenkmalamt entschied die Mehrheit der Bezirksverodnetenversammlung Mitte daran weiter zu arbeiten. Dass dann mit Unterschrift des Stadtrats die Planungen des Investors als Begründung für den B-Plan ausgelegt wurden, hatte bei interessieren Bürgern für Verwirrung gesorgt. Die 19seitige Begründung ist vom Büro Herwarth + Holz im Auftrag der Stromstraße 11-17 Gmbh & Co. Entwicklungs KG erarbeitet. Nach Erwerb des Grundstücks von der Gläubigerbank hatte die HLG – wie üblich – eine neue Firma für dieses Projekt gegründet. Dies ist bei einem vorhabenbezogenen B-Plan im Prinzip nicht ungewöhnlich. Eher verwundern Fehler und Werbetext für das Projekt. Gothe erklärte bei  der Veranstaltung: „Es ist ein Experiment, dass wir nicht mit einer bereits abgestimmten Planung an die Öffentlichkeit treten.“ Nur die Größenordnung der genehmigungsfähigen Verkaufsfläche und die Zahl der Stellplätze sei Konsens zwischen Bezirk und Investor. Über alles andere wie Art und Weise der Bebauung, Verkehrskonzept usw. bestehe noch keine Einigkeit. Insbesondere der Denkmalschutz habe ein Wort mitzureden. Nun kann man gespannt sein, welche Einwände und Anregungen bei der Beteiligung der Bürger,  Behörden und Träger öffentlicher Belange eingehen und wie sie in die Pläne eingearbeitet werden.

Zur Diskussion des Projekts in den letzten Monaten siehe auch LiesSte, Zeitung für den Stephankiez, Oktober bzw. Dezember 2007. Im Artikel von Dezember wird die Konzept-Idee von Hamburger Investoren beschrieben, die aber nicht mehr zum Zuge gekommen sind, da die HLG das Grundstück bereits erworben hatte. Link zum Tagesspiegel-Artikel von Mai 2008.

Text: Susanne Torka, zuerst erschienen in stadt.plan.mitte, Nr. 59, Mai 2008

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